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Herbst

Phänologie: Zeitraum vom mittleren Beginn der Rosskastanienreife bis zur Laubfärbung

Herbstgedanken

Heilig-schaudernd, wie durch Grabgefilde,
Sterbende Natur!
Wall ich über deine Leichen
Hin, auf öder Flur.

Hingesä't zum fröhlichern Erwachen
Wird des frommen Staub;
Und, in Pflanzen neu zu blühen,
Stirbt das bunte Laub.

Dumpfe Todtenstille herrscht im Haine
Bis der nahe Sturm
Ihn durchrauscht - so rauscht der Glocke
Grabgesang vom Thurm.

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Hier von Tod und Sterblichkeit umgeben,
Denkt die Seele nach;
Einst erwartet meine Hülle
Auch ein Schlafgemach.

Allgemach verschwindet auch mein Frühling,
Wird vorüber wehn;
Schwüler sind des Sommers Tage,
Nur am Abend schön. -

Süß und lieblich ist die Ruh dem Wandrer;
Süßer noch das Grab
Dem, der seine Tage nützet,
Die sein Gott ihm gab.

Wenn, wie jetzt den sterbenden Gefilden,
Auch mein Herbst erscheint,
Und wenn dann bei meiner Baare
Noch die Freundschaft weint,

Wenn an meinem offnen Grabeshügel
Fromme Dankbarkeit
Mir, weil gern ich Freuden schaffte,
Still ein Thränchen weiht.

Dann, wie ruhig schlummert sich's im Grabe;
Gott! mein Vorsatz sey:
Würdig dieses Glücks zu leben,
Jeder Tugend treu.

Erndten wird einst Seligkeit der Fromme;
Ewig glücklich seyn;
O die Saat, gesä't am Grabe,
Wird uns einst erfreun!
Johanne Juliane Schubert (1776-1864)

Herbstlied

Lasst uns auf alle Berge gehen,
Wo jetzt der Wein zu Tale fliesst,
Und überall am nächsten stehen,
Wo sich der Freude Quell ergiesst,
Uns tief in allen Augen spiegeln,
Die durch das Rebenland erglühn!
Lasst uns das letzte Lied entriegeln,
Wo noch zwei rote Lippen blühn!

Seht, wie des Mondes Antlitz glühend
Im Rosenscheine aufersteht,
Indes die Sonne, freudesprühend,
Den Leib im Westmeer baden geht!
Wie auf der Jungfrau'n einer Wange
Der Widerschein des Mondes ruht,
Dieweil erhöht vom Niedergange,
Erglänzt der andern Purpurblut.

O küsset schnell die Himmelszeichen,
Eh' sich verdunkelt die Natur!
Mag dann der Abglanz auch erbleichen,
Im Herzen loht die schönre Spur!
Mag sich, wer zu dem süssen Leben
Der Lieb' im Lenz das Wort nicht fand,
Der holden Torheit nun ergeben,
Den Brausebecher in der Hand!

Wohl wird man edler durch das Leiden,
Und strenger durch erlebte Qual;
Doch hoch erglühn in guten Freuden,
Das adelt Seel' und Leib zumal.
Und liebt der Himmel seine Kinder,
Wo Tränen er durch Leid erpresst,
So liebt er jene drum nicht minder,
Die er vor Freude weinen lässt.

Und sehnen blasse Gramgenossen
Sich nach dem Grab in ihrer Not,
Wem hell des Lebens Born geflossen,
Der scheut noch weniger den Tod!
Taucht euch ins Bad der Lust, ins klare,
Das euch die kurze Stunde gönnt,
Dass auch für alles heilig Wahre
Ihr jede Stunde sterben könnt!
Gottfried Keller (1819-1890)

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Herbstwind, Kind des Winters

Herbstwind, Kind des Winters
komm und kämme
wüste Scheitel
allen Trauerweiden,
lass kalte Schauer
uebers Wasser treiben -
wer friert, der muss
zu Hause bleiben,
muss hinter
dicken Fensterscheiben
meterweise
Briefe Schreiben
an der Heizung
in der Kammern
ueber schlechtes
Wetter jammern.

Herbstwind, Kind des Winters
komm und schlage
mit Kastanienhagel
die Touristenplage
jage sie samt
den Vogelscharen
nach Aegypten
oder den Kanaren
wo sie unter
Hitzequalen
sich an weissen
Straenden aalen.
von Ralf Sieber - Dichter vom Dienst


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